"...möchten wir Sie am $DATUM von 14 bis 18 Uhr zu einem Assessment-Center in unserem Haus einladen. Bitte bereiten sie eine dreiminütige Präsentation vor, um ihr Profil zu vertiefen." Produktmanager in der Spielebranche, noch dazu bei einem großen Publisher, mein Traumjob (btw war es
nicht Ubisoft, falls das jemand aufgrund des Titels vermutet!). Etwas Branchenerfahrung hatte ich durch mein Praxissemester ja gesammelt. Die Freude war tagelang entsprechend groß, dann kamen die Zweifel. Was ziehe ich an, wie soll ich die für die Präsentation vorgegebenen Punkte in drei Minuten unterbringen und mit wem konkurriere ich eigentlich?
Nach mehreren Ratschlägen entschied ich mich klamottentechnisch für eine dunkle Bluejeans, ein weißes Hemd und ein schwarzes Sakko. Nur eine Stufe über dem meiner Erfahrung nach branchentypischen Stil. Um einerseits zu zeigen, dass man durchaus dazu passt, andererseits aber den Anlass zu schätzen weiß. Die Präsentation habe ich von ursprünglich knapp 10 Minuten auf Best-Case-Szenario 3:30min gebracht, good 'nuff. Was sich sonst noch mit mir auf dem Bewerbermarkt tummeln wird, konnte ich absolut nicht einschätzen. Werden vier andere da sein, oder zehn? 25-jährige Studentenfrischlinge oder 35-jährige Brancheninsider? Stille Mauerblümchen oder selbstprofilierende Alpha-Tierchen?
20 Minuten vor 14 Uhr war ich da, und es saßen schon 6 Leute im Vorzimmer. Nungut,
"die Letzten werden die Ersten sein", dachte ich grummelnd. Kurz nach mir kamen dann aber zwei weitere, fünf Minuten später nochmal drei Bewerber. Wow. Wir wurden ins Besprechungszimmer geführt und auf dem Weg kamen nochmal zwei dazu. Es waren also zu meinem
Entsetzen Erstaunen am Ende insgesamt 14 Bewerber. Der zweite Schock:
"Bitte halten Sie Ihre Präsentation auf Englisch", und ich wusste: good bye, best-case...
Ich saß relativ am Ende der Runde und konnte mir zumindest noch einige Formulierungen zurechtlegen, während ich mehr oder weniger überrascht von den anderen Bewerbern war. Doppeldiplome, Fraunhofer-Projektleiter, jahrelange Branchenerfahrung und Muttersprachenqualität einerseits, Studiumsfrischlinge, Bankkaufleute und Sachbearbeiterinnen andererseits. Und es wurde schnell deutlich, ich war Mittelmaß. Alter, Branchenerfahrung, Englisch, Selbstpräsentationsfähigkeit, egal. Mit dem Kopf einer der Beobachterinnern gedacht (2 Personalerinnen, 2 senior managerinnen, 2 junior managerinnen), gab es keinen Grund, sich am Ende des AC überhaupt noch an mich zu erinnern. Eine eher ungewöhnliche Situation, ich begann mich unwohl zu fühlen. Aber ich konnte zumindest etwas von den meiner Meinung nach "schlechteren" Bewerbern lernen...
Wenn du drei Minuten Redezeit hast um dich vorzustellen, verschwende nicht zwei dafür um fragwürdig zu begründen warum du 8 Jahre lang studiert hast. Wenn du ein Studium abgebrochen hast, begründe es nicht hauptsächlich mit einem Mangel an Selbstdisziplin. Wenn du gebeten wirst englisch zu reden, sag nicht "Es tut mir Leid, ich würde es trotzdem gerne einfach auf deutsch halten" und beginne deinen Vortrag noch bevor die Personalerinnen erschreckt aufgeschaut haben, geschweige denn dir eine Antwort geben können. Klatsche nicht nach jedem holprig aufgezählten Punkt begeistert in die Hände. Seriously, you can't make that shit up...
Die
Postkorbübung lief meinem Gefühl nach überraschend gut, ich hatte aber auch den Eindruck, dass es nicht all zu viel falsch zu machen gab und die Zeit war zudem großügig bemessen. Die anschließende Gruppendiskussion war für mich persönlich ein Desaster, weil sie darauf hinauslief, dass sich die beiden lautesten und erfahrensten Mitbewerber eine Zweierdiskussion lieferten, während ich und die 11 anderen hin und wieder einen Stichwortsatz ergänzten. Diesem Schaulaufen der Eitelkeiten räumte man geschlagene 45 Minuten ein und es endete damit, dass die beiden Großkotze noch jeweils 4mal versuchten das letzte Wort zu haben um letztendlich als der ultimative Kompromissfinder aus der Diskussion hervorzugehen. Ich bitte hierbei zu beachten, dass ich nicht neidisch war, sondern ehrlich angewidert.
Es folgte eine 45minütige schriftliche Aufgabensammlung mit "Vollende die Zahlenreihe"- und "Vervollständige das Wort". Besonders beachtenswert fand ich die lausige Qualität der Kopien, die mich an den Kopierer aus der Grundschule erinnerten. Die Aufgaben waren mit Schreibschrift überschrieben. Entweder stammten die Kopiervorlagen original aus den 80er Jahren oder...nein, es kann keine andere plausible Erklärung geben. Ich frage mich darüber hinaus, welche Aussage solche erlernbaren Tests für die Eignung eines Kandidaten haben.
"Wow, Peter Müller hat exzellent abgeschnitten. Entweder er ist ein Genie oder er hat ein Buch über Assessment-Center gelesen". Nunja, aber was weiß ich schon.
Das abschließende Gespräch dauerte bei allen Kandidaten zwischen 3 und 5 Minuten. "Wie hat es Ihnen gefallen, wen würden sie an unserer Stelle einstellen, was spielen sie denn so für Spiele, haben sie noch irgendwelche Fragen?" Zu den Antworten jeweils ein kurzes freundliches Nicken, kaum Nachfragen, kein Gespräch. Eher ungeeignet um sich zumindest halbwegs ein Kandidatenbild zu erstellen. Wie irgendwie auch der ganze Tag.
Letztendlich sehe ich mich nicht völlig chancenlos, da ich mich durchaus nach wie vor als optimaler Kandidat für das Stellenprofil sehe. Mit breit gefächerten Erfahrungen in gerade noch der richtigen Tiefe und guten social skills, im Prinzip der absolut perfekte Kompromiss des vorhandenen Kandidatenpools. Aber ich weiß nichtmal, ob sich irgendjemand auch nur meinen Namen gemerkt hat...